Des einen Freud, des anderen Leid

Mit einem bemerkenswerten Urteil vom 18.03.2021 hat das Oberlandesgericht Hamm gezeigt, dass der Rat eines Anwalts für GmbH-Geschäftsführer sogar dann nützlich ist, wenn er falsch ist. Der falsche Rat des Anwalts kann für Geschäftsführer der Rettungsanker sein, der sie vor hohen Schadensersatzforderungen bewahrt.

 

Doch eins nach dem anderen.

Worum ging es?

 

Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (OLG Hamm Urteil vom 18.03.2021 – 28 U 279/19) lag folgender – vereinfacht dargestellter – Fall zugrunde:

Eine GmbH hatte zwei Geschäftsführer, Herrn G und Herrn F. Herr F. war zugleich Gesellschafter mit einer Beteiligung von 85%. Seine Geschäftsanteile an der GmbH hielt er treuhänderisch für zwei andere Personen, die Kommanditisten einer GmbH & Co. KG und Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH waren. Der GmbH ging es finanziell schlecht, weshalb es zu einem Gespräch über ihre wirtschaftliche Lage kam, bei dem über eine mögliche Insolvenzreife und deren Konsequenzen diskutiert wurde. Gegenstand des Gesprächs war auch eine Zahlungsverbindlichkeit der GmbH gegenüber der GmbH & Co. KG in Höhe von EUR 25.000. An der Besprechung über die wirtschaftliche Lage der GmbH nahmen neben den Herren G und F – den beiden Geschäftsführern der GmbH – auch die Kommanditisten der GmbH & Co. KG teil, für die Herr F seine Anteile an der GmbH treuhänderisch hielt. Weiterer Teilnehmer der Besprechung war der Rechtsanwalt der GmbH & Co. KG, Herr R.

Erörtert wurde insbesondere die Frage, welche rechtlichen Folgen es haben könnte, wenn die GmbH ihre Verbindlichkeit gegenüber der GmbH & Co. KG begleicht und den geschuldeten Betrag an die GmbH & Co. KG bezahlt. Die Frage, welche Rechtsfolgen die Zahlung hätte, wenn die GmbH bereits insolvent wäre, beantwortete Rechtsanwalt R so, dass im Falle einer schon bestehenden Insolvenzreife der GmbH der Insolvenzverwalter die Zahlung anfechten und von der GmbH & Co. KG Rückzahlung an sich verlangen könne. Auf weitere Rechtsfolgen wies Rechtsanwalt R nicht hin. Insbesondere erwähnte er nicht, dass die Zahlung an die GmbH & Co. KG im Falle der Insolvenzreife der GmbH eine Masseschmälerung gem. § 64 Satz 1 GmbHG sei und die Geschäftsführer der GmbH hierfür persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden können.

Herr F überwies daraufhin als Geschäftsführer der GmbH von deren Konto EUR 25.000,00 an die GmbH & Co. KG. Wenige Tage später stellte Herr G als Mitgeschäftsführer der GmbH Insolvenzantrag.

Der daraufhin eingesetzte Insolvenzverwalter verlangte nun von Herrn F Zahlung von

EUR 25.000,00, weil F als Geschäftsführer der GmbH nach bereits eingetretener Insolvenz noch EUR 25.000,00 an die GmbH & Co. KG bezahlt hatte. Hierfür hafte er als Geschäftsführer persönlich wegen verbotener Masseschmälerung.

Bis hierhin handelt es sich um einen Standardfall, wie er jedes Jahr hundertfach in Deutschland vorkommt. Geschäftsführer haften persönlich für jeden Vermögensabfluss („Masseschmälerung“), den sie nach Eintritt eines Insolvenzgrundes (Zahlungsfähigkeit oder Überschuldung) veranlassen. Nun aber nahm der Fall des OLG Hamm eine besondere Wendung:

Herr F verweigerte die vom Insolvenzverwalter geforderte Zahlung. Er berief sich darauf, dass Rechtsanwalt R ihn nicht auf die Haftung wegen Masseschmälerung hingewiesen hatte und sich dadurch ihm gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht habe. Seine Schadensersatzansprüche gegen Rechtsanwalt R trat er an den Insolvenzverwalter ab. Dieser verklagte daraufhin nicht Herrn F, sondern Rechtsanwalt R auf Zahlung von EUR 25.000,00.

Das OLG Hamm gab ihm recht. Es bestätigte zwar, dass die Zahlung des Betrages von EUR 25.000,00 durch F an die GmbH & Co. KG eine verbotene Zahlung war („Masseschmälerung“), für die Herr F schadensersatzpflichtig sei. Allerdings habe Herr F seinerseits einen Schadensersatzanspruch gegen Rechtsanwalt R, der darauf gerichtet ist, ihn – F – von seiner Haftung gegenüber der GmbH & Co. KG freizustellen. Diesen Freistellungsanspruch hatte Herr F an den Insolvenzverwalter abgetreten, wodurch sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat.

Grund der Haftung von Rechtsanwalt R. gegenüber Herrn F. war nach den Ausführungen des OLG Hamm nicht ein Anwaltsvertrag zwischen Herrn F und Rechtsanwalt R. R sei vielmehr lediglich Anwalt der GmbH & Co. KG gewesen. Gegenüber Herrn F hafte Rechtsanwalt R aber gleichwohl. Dies folge daraus, dass zwischen Rechtsanwalt R und Herrn F ein konkludenter Auskunftsvertrag zustande gekommen sei. Ein Auskunftsvertrag könne auch stillschweigend zustande kommen, wenn die Auskunft für den Empfänger – hier Herrn F – erkennbar von großer Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entscheidungen machen will. Diese Voraussetzungen sah das OLG Hamm als gegeben an. Für Rechtsanwalt R sei klar erkennbar gewesen, dass die Beantwortung seiner Frage über die Rechtsfolgen einer Zahlung des Betrages über EUR 25.000,00 bei schon bestehender Insolvenz für F von erheblicher Bedeutung war und F gerade über ein etwaiges Haftungsrisiko bei Zahlung des Betrages informiert werden wollte. Dass Rechtsanwalt R mit Herrn F keinen Anwaltsvertrag abgeschlossen hatte, steht dem nicht entgegen.

 

Ergebnis:

Geschäftsführer F konnte seine Haftung für die verbotene Zahlung („Masseschmälerung“) an die GmbH & Co. KG erfolgreich auf Rechtsanwalt R abwälzen. Dessen Auskunft auf die Frage nach möglichen rechtlichen Folgen der Zahlung von EUR 25.000,00 im Falle der Insolvenzreife war somit zwar falsch, aber für Herrn F äußerst nützlich: nicht er musste

EUR 25.000,00 an den Insolvenzverwalter zahlen, sondern Rechtsanwalt R.

 

Tip:

GmbH-Geschäftsführer können ihr Haftungsrisiko entscheidend verringern, wenn sie vor operativen Entscheidungen anwaltlichen Rat einholen. Schon vor längerem hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass GmbH-Geschäftsführer ihre Haftung vermeiden können, indem sie sich von fachlich qualifizierten Berufsträgern beraten lassen (ISION- Urteil des BGH vom 20.09.2011 – II ZR 234/09). Das aktuelle Urteil des OLG Hamm setzt noch eins drauf und spricht GmbH-Geschäftsführern selbst dann einen Freistellungsanspruch zu, wenn sie mit dem Rechtsanwalt gar keinen Anwaltsvertrag abgeschlossen haben, sondern der Rechtsanwalt Ihnen lediglich eine Auskunft erteilt hat.

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